PROJEKT CITY CAMPUS

Das Projekt

Liebe Mitglieder des Fördervereins,

vor über einem Jahr haben wir in der Mitgliederversammlung das Projekt „City Campus Delmenhorst“ ins Leben gerufen.
Wir haben einstimmig beschlossen, das Projekt zu unterstützen. Mit dem Projekt verfolgen wir die Ziele einer nachhaltigen Aufwertung und Belebung der Delmenhorster Innenstadt und die Unterstützung der hier ansässigen Unternehmen durch eine attraktive Bildungseinrichtung, die durch eine zielorientierte Qualifizierung dem Fachkräftemangel entgegenwirkt. Außerdem soll über Studierende, Lehrkräfte und Mitarbeiter einer solchen Bildungseinrichtung zusätzliche Kaufkraft in die Stadt gebracht und das Image verbessert werden. Idealerweise verfügt die Bildungseinrichtung über Alleinstellungsmerkmale, die so attraktiv sind, dass über die Grenzen der Stadt hinaus eine Sogwirkung für ambitionierte junge Leute entsteht.

Seit einem Jahr arbeitet Frau Burdorf nun unter dem Dach der Delmenhorster Wirtschaftsförderungsgesellschaft an den Fragen,
welche Art einer Bildungseinrichtung aufgrund der Ausgangssituation zu Delmenhorst passen würde und welche Fachbereiche
dort angesiedelt sein sollten. Am Ende muss ein solcher „Campus“ finanziert werden und praktisch umsetzbar sein. Auch dieser Punkt
wird von Anfang an berücksichtigt.

Wir möchten Sie als Mitglieder des Fördervereins gerne auf dem Laufenden halten und werden an dieser Stelle nun regelmäßig
über den Arbeitsstand berichten. Ein erstes Zwischenergebnis der Bestandsaufnahme stellen wir Ihnen im folgenden dar.

Über alle Anregungen und Diskussionsbeiträge freuen wir uns. Bitte nutzen Sie dazu das Kontaktformular. Wir rufen Sie an.

Herzliche Grüße und beste Gesundheit

Wolfgang Etrich (für den Vorstand des Fördervereins)

Die Arbeit am Projekt City Campus hat als Grundpfeiler der weiteren Überlegung die vier Themenfelder Handwerk und Mittelstand, Digitalisierung, Bildungsaufstieg und Duales Studium herausgearbeitet. Diese Themen werden als elementar betrachtet, um ein zukunftsorientiertes Bildungsangebot zu schaffen, welches die Herausforderungen der Zukunft ebenso einbezieht, wie auch die lokalen und bundesweiten Potentiale.

Darüber hinaus wurden die verschiedenen Einrichtungen des tertiären Bildungssystems in Deutschland genauer betrachtet. Jeder der vier institutionellen Bereiche, Universitäten, (Fach-)Hochschulen, Berufsakademien und Fachakademien/ Fachschulen, wurde dabei auf verschiedene Kriterien wie z.B. Trägerschaft oder  fachliche Ausrichtung  hin untersucht. 

Ziel dieser Arbeit war es herauszufinden, welche Art von Institution den Zielen hier vor Ort in Delmenhorst am besten entspricht beziehungsweise, welche Varianten weiter in Betracht kommen.

Nach diesen Betrachtungen ergeben sich drei Varianten, die für die weitere Arbeit von Interesse sein können:
Eine Berufsakademie, derAnsiedlung einer privaten Hochschule oder die Möglichkeit einer Ansiedlung einer Zweigstelle einer bereits bestehenden Hochschule.

Die Grundlagen

City Campus – Was bedeutet das eigentlich?

Nun ein Campus vereint üblicherweise die Funktionen Lernen, Lehren, Arbeiten, Forschen und Wohnen – ein Campus ist also nicht nur ein Lernort sondern vor allem ein vielseitiger Lebensraum.

Das Wort Campus bedeutete in seinem Ursprung so etwas wie „freies Feld“. Das kommt daher, dass Städte früher einen Campus eher an ihrem Rand auf dem freien Feld hochzogen.
Diese und viele andere Entscheidungen und Entwicklungen in den äußeren Stadtbereichen in der Vergangenheit haben zu einer Reduzierung der Funktionsvielfalt in den Stadtkernen gesorgt.

Gemeinsam mit den Globalisierungs- und Digitalisierungstendenzen der Gegenwart stellt sich so in allen Städten die Frage: Wie sieht die Zukunft unserer Innenstadt aus?

Eine Vision für das Herz unserer Stadt

Also braucht es keinen Blick nach hinten sondern einen Blick nach vorne: Wie soll unsere Innenstadt in einer individualisieren, globalisierten, digitalisierten Zukunft aussehen?

Ein Konzept für eine lebendige und sich nachhaltig entwickelende Innenstadt muss in Zukunft viele verschiedene Bausteine haben, dazu gehört der Handel ebenso wie Dienstleister, Gastronomien, Kultureinrichtungen, Einrichtungen der öffentlichen Hand und der öffentliche Raum.

Vielleicht lohnt sich dann doch der eine oder andere Blick etwas weiter in die Vergangenheit: Die Stadtkerne waren Orte an denen Menschen handelten, aber eben auch solche an denen sie lebten, lernten und arbeiteten – produktiv waren.

Wie kann eine solche produktive und vielseitige Innenstadt im 21. Jahrhundert neu gedacht werden? Indem die Vielfältigkit der Funktionen vermehrt in die Innenstädte zurückkehrt.

Bildung und Stadt

In Städte-Rankings finden sich unter anderem auch häufig Indikatoren wie etwa „Anzahl Studierender“ oder „Anteil Akademiker“. Nicht zuletzt Richard Florida brachte das Thema „Talente“ in seinen Publikationen Anfang der 2000er in den Blick vieler Städte. Kreative und Gebildete seien entscheidend für den Erfolg von Städten, so seine Erkenntnis.

Viele Städte versuchten daraufhin Kreativ-Viertel und andere Projekte zu implementieren, mit dem Ziel mehr solche Kreativen und Talente anzuziehen. Floridas Publikationen sind in Teilen zu vereinfacht, allerdings gilt Bildung insbesondere im Zeitalter der Digitalisierung, des Demografischen Wandels und dem mit diesen und anderen Trends einhergehenden Fachkräftemangel, mehr denn je, als einer der wichtigsten Bausteine, um eine Gesellschaft langfristig erfolgreich aufzustellen. Allein der demografische Wandel wird bis zum Jahr 2060 zu knapp 1/3 weniger Erwerbspersonen in Deutschland führen (ca. 16 Mio.)

Das Finden passender Fachkräfte wird von vielen Unternehmen – insbesondere auch KMUs – unlängst als eine der großen Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft benannt und Bereits 55% der Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als Risiko für ihre Entwicklung.

Gut ausgebildete Fachkräfte werden, auch durch die fortschreitende Digitalisierung, mehr und mehr zur knappen Ressource, die über den Erfolg der Unternehmen entscheidet – und so auch im Fokus der Städte steht, die ebendiese erfolgreich ansiedeln möchten.
Für Innovative Unternehmen kann zudem die räumliche Nähe zu wissenschaftlichen Einrichtungen besonders wichtig sein.

Auch für Delmenhorst ist die Idee eines tertiären Bildungsstandortes als Element der Stadt(weiter)entwicklung nicht neu. (siehe nachfolgende Bildergalerie) 

ISEK Stadt Delmenhorst

Im Integrierten Stadtentwicklungskonzept der Stadt Delmenhorst, erarbeitet durch GEWOS, von 2013 wird im Handlungsfeld unter anderem die Etablierung eines tertiären Bildungsstandortes empfohlen.
Auch die Bausteine „innerstädtisches Wohnen ermöglichen“ sowie „Umnutzung Bestandsimmobilien“ sind in diesem Zusammenhang relevant.

Handlungsempfehlungen IHK-Beirat

In den Handlungsempfehlungen des Beirats Delmenhorst / Oldenburg Land –Stadt Delmenhorst, die vor der IHK Vollversammlung im November 2016 beschlossen wurden, findet sich unter Punkt drei ebenfalls die dringende Empfehlung einen tertiären Bildungsstandort, und mit diesem Forschung und Lehre, in Delmenhorst zu etablieren.

Die vier Grundpfeiler

Mittelstand und Handwerk

Der deutsche Mittelstand und das Handwerk sollten nicht getrennt gedacht werden. Nicht nur, da Handwerksbetriebe i.d.R. dem Mittelstand angehören, sondern auch, da der Begriff „Handwerk“ in Deutschland nicht bloß solche Berufe umfasst, die der Bevölkerung oft zuerst einfallen – bspw. Tischler*in, Zimmermann/-frau – sondern eben auch Berufe aus den verschiedensten Branchen. Hierzu zählen auch viele Berufe, die in kleinen und mittelständischen Industriebetrieben oder den industrienahen Betrieben ausgebildet werden.  

99,5% der deutschen Unternehmen in Deutschland zählen zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs). Sie bilden 81,7% aller Lehrlinge aus, exportieren 97,1% aller Waren und beschäftigen 58% aller sozialversicherungspflichtiger Beschäftigten in Deutschland. Neben diesen KMUs gehören zum Mittelstand außerdem noch inhaber- oder familiengeführte Unternehmen, auch wenn diese die Umsatz- und Beschäftigungsgrenzwerte für die klar definierten KMUs überschreiten.

Eben solche Unternehmen prägen in weiten Teilen das Wirtschaftsprofil Delmenhorsts. War die Wirtschaftsstruktur in der Vergangenheit Stark von einer Branche, der Textilindustrie (Nordwolle, Jutespinnerei und Unternehmen wie Delmod), geprägt, ist das wirtschaftliche Gesicht Delmenhorsts heute wesentlich diverser. Das macht die Stadt resilienter gegen wirtschaftlich unruhige Zeiten und weniger Abhängig von einzelnen, großen Arbeitgebern. Viele Unternehmen sind familiengeführt in mindestens zweiter Generation. Eben diese Unternehmen, sollen gehalten, neue Gründungen und Innovationen unterstützt werden. Eine Bildungseinrichtung des Tertiärbereichs kann hierzu beitragen, insbesondere dann, wenn ihre Ausrichtung sich an den Bedarfen und den zukünftigen Herausforderungen der Unternehmen vor Ort ausgerichtet sind.

Digitalisierung

Deutschland belegt 2020 den ersten Platz des Bloomberg Innovation Ranking. Wird aber auch kritisiert unter anderem für den zu starken Fokus auf die Autoindustrie. Aber auch die mangelnde Innovationskraft im tertiären Bildungsbereich wird hier im internationalen Vergleich kritisiert und ist einer der Gründe für Besorgnis von Seiten der Analysten.

„Lack of innovation around tertiary education in Germany is an “increasing worry,” Brzeski added, especially as the global economy shifts more toward services and away from manufacturing. “The German government would be well advised to use the ongoing fiscal surplus to invest and safeguard Germany’s role as innovator.”“ – Bloomberg Innovation Index.

Arbeitsformen, die nun einen weiteren Schub durch die Coronakrise bekommen hat, ist ein stärkerer Fokus auf dieses Thema unabdingbar. „Smart City“, „Industrie 4.0“ das sind Schlagworte, denen man schon seit längerem immer wieder begegnet. Die Digitalisierung wird den Bedarf nach bestimmten Fachkräften noch erhöhen, aber sie wird andere Berufsbilder auch vollkommen verändern und andere eventuell vollständig verschwinden lassen. Solche Prozesse haben sich auch in der Vergangenheit immer wieder vollzogen; sei es durch die Industrialisierung oder aber bereits im Zuge der Digitalisierung, bei der beispielsweise das klassische Berufsbild des technischen Zeichners, der manuell Arbeiten anfertigte Stück für Stück durch digitale Lösungen verdrängt wurde. Jedoch vollziehen sich solche Entwicklungen durch die Digitalisierung aktuell in weit schnellerem Tempo, die Zeit zu reagieren, Berufsbilder anzupassen, neue Arbeitskonzepte zu schaffen, Menschen so umzuschulen oder weiterzubilden, dass ihre Bildung auch in Zukunft wertvoll ist und ökonomisch relevant bleibt, verkürzt sich so. Jedoch sind genau diese Maßnahmen für die Arbeiternehmer*innen und Arbeitergeber*innen essenziell.

„Der deutsche Mittelstand arbeitet kontinuierlich an seiner digitalen Transformation. Die Mehrheit der Unternehmen ist inzwischen überzeugt, dass sie nur so auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben und produktiver arbeiten kann.“ – Digitalisierungsindex 2019

Das ist eine richtige und deshalb natürlich auch wichtige Überzeugung. Allerdings stellt der Digitalisierungsindex auch fest, dass große Unternehmen gegenüber dem Mittelstand einen klaren digitalen Vorsprung haben. Ein Umstand der sich bislang vor allem im Einzelhandel durch die Marktmacht von Online-Anbietern wie Amazon zeigt. Ähnliche, wenn vielleicht auch weniger gravierende, Folgen könnte der digitale Vorsprung auf Dauer auch für andere Branchen haben. Wie wichtig Digitalisierung und mit ihr die Fachrichtung Informatik mittlerweile sind, aber auch wie viel Arbeit in diesem Bereich noch zu tun ist, zeigt sich auch daran, dass seit Jahren die Rufe nach Informatik als Pflichtfach an Schulen lauter werden. Angela Merkel forderte dies bereits vor mehreren Jahren.

Es erscheint daher nur logisch bei den Überlegungen zu neuen Studienangebote festzustellen, dass Informatik und Digitales darin zwingend den zentralen Platz einnehmen müssen.

Bildungsaufstieg

Deutschland wird in regelmäßigen Abständen in verschiedenen Studien eine geringe sog. Soziale Mobilität bescheinigt, diese ist eine Folge der geringen Mobilität innerhalb des Bildungssystems. Das bedeutet: In Deutschland besteht ein großer Zusammenhang zwischen dem höchsten Bildungsabschluss der Elternteile und den höchsten Bildungsabschlüssen, die Kinder erreichen. So sind es unter den Arbeiterkindern, also solchen die keine Akademiker als Eltern haben, nur 21%, die selbst ein Hochschulstudium beginnen. Bei Eltern mit mindestens einem Elternteil mit akademischem Abschluss, beginnen 74% ein Studium. Auch die Quote derjenigen, die das Studium abbrechen, ist unter Arbeiterkindern mit 33% mehr als doppelt so hoch (bei Akademikerkindern sind es 15%).

Auch im Bereich der Chancengleichheit, hat Deutschland viele Vorgaben bislang noch nicht erreicht. Auf dem Online-Auftritt des Hochschulbildungsreports für Deutschland heißt es hierzu:
„In Deutschland schaffen es Schüler mit Migrationshintergrund und Kinder aus bildungsfernen Schichten immer noch viel zu selten an Hochschulen. Wenn sie studieren, erzielen sie durchschnittlich weniger gute Ergebnisse. Das deutsche Hochschulsystem wird seinem Anspruch nicht gerecht, einen fairen Zugang unabhängig von sozialem oder kulturellem Hintergrund zu bieten. Ziel des Handlungsfeldes Chancengerechte Bildung ist es daher, sowohl den Hochschulzugang als auch den Studienerfolg für diese Gruppen zu verbessern.“

Grundsätzlich ist hier ein vom Institut für deutsche Wirtschaft (Köln) festgestellter Zusammenhang besonders zu beachten. Demnach verfügen Migranten, die bis zum Jahr 1994 eingewandert sind, wesentlich seltener, in 15,4% der Fälle, über einen akademischen Abschluss wie der Durchschnitt der Menschen ohne Migrationshintergrund, hier sind es durchschnittlich 25,9%. Für Migranten die seit 2010 kehrt sich dies um: 34,3% der in diesem Zeitraum Zugewanderten verfügen über einen akademischen Abschluss, also beinahe 10% Punkte mehr als in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund.

Besonders vor diesem Hintergrund wird die doppelte Benachteiligung von jungen Menschen mit Migrationshintergrund und von jungen Menschen aus bildungsfernen Schichten deutlich; denn von denjenigen die einen Migrationshintergrund haben, aber selbst in Deutschland geboren sind, verfügten 2016 nur 14,7% über einen akademischen Abschluss und 31,2% dieser Gruppe verfügt nicht über einen berufsqualifizierenden Abschluss – diese Zahl ist beinahe dreimal so groß wie der Anteil von 11,8% derjenigen ohne Migrationshintergrund.

Diese Zahlen verdeutlichen sehr vehement, wie stark der Einfluss von Migrationserfahrung, eigene oder familiäre, und von dem Bildungsstand der Eltern in Deutschland nach wie vor ist.

Beide Themen sind für Delmenhorst von besonderer Relevanz sein. So liegt eine der großen Stärken Delmenhorsts in einer, im Vergleich zu umliegenden Gebietskörperschaften, vergleichsweise jungen Bevölkerung, sodass der Einfluss der alternden Gesellschaft hier bisher noch abgefedert werden kann. Allerdings ist, insbesondere in den jüngeren Altersgruppen – als Ergebnis sowohl der multikulturellen Vergangenheit als auch starker Zuwanderungsbewegungen seit 2015 – der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund besonders hoch (Tabelle der Stadt Delmenhorst hier darstellen). Auch der Anteil der Nicht-Akademiker ist im Bundesvergleich in Delmenhorst höher.

Den Pool potentieller Fachkräfte, als welche junge Menschen im Wirtschaftszusammenhang betrachtet werden müssen, für die regionalen Unternehmen nutzbar zu machen bedeutet insbesondere im Falle Delmenhorst, dass Bildungsaufstiege ermöglicht werden müssen. Eine Herausforderung, der sich auch Deutschland insgesamt in den vergangenen Jahren zunehmend bewusster geworden ist.

Duales Studium

Duale Studiengänge erfreuen sich in Deutschland weiter hoher Beliebtheit. Waren sie zunächst vor allem in den Ingenieur- und Wirtschaftsdisziplinen weit verbreitet, finden sich mittlerweile in immer mehr Feldern Möglichkeiten zum dualen oder sogar trialen Studium. Das triale Studium wird im weiteren Verlauf zunächst einmal, zu Vereinfachungszwecken, unter dem Überbegriff des Dualen Studiums gefasst, da es sich hier um eine Sonderform dieses handelt, die sich insbesondere auf eine Drittqualifikation in Form bspw. eines Meisters (jetzt „Master Professional“) im Handwerk bezieht.

Nach wie vor sind die Fächer der Ingenieurswissenschaften sowie die wirtschaftswissenschaftlichen Fächer Schwerpunkte im dualen Studienangebot. Der höchste Anteil an dualen Studiengängen ist laut Auswertung des CHEs im Bereich der Medizinischen und Gesundheitswissenschaftlichen Studiengängen vorzufinden. (Abb. 1)
Niedersachsen schneidet im bundesweiten Vergleich noch relativ gut ab, wenn es um den Anteil der dualen Studiengänge (insbesondere im Bachelorstudium) an der Gesamtheit der Studiengänge geht. Hier ist der Anteil an den Bachelorstudiengängen 11,8% und an den Masterstudiengängen 1,3%. Bei den Studienanfänger*innen belegt Niedersachsen für das Jahr 2017 allerdings den 11. Platz im Ländervergleich (siehe Abb. 1).

Abb. 1: Übersicht Duales Studium in Deutschland nach Bundesländern.
Quelle: CHE.

Das CHE stellt sich in seinem Bericht zum dualen Studium auch der Frage, ob das Wachstum des Sektors endlos weitergehen könne. Selbstverständlich wird dieses Wachstum maßgeblich von der Anzahl der verfügbaren Praxispartner bestimmt.

Dennoch stellt das CHE in seinem Fazit fest:
„Die meisten Bildungsexpert(inn)en sind sich mittlerweile einig, dass sich der Trend zu einer stärkeren Durchlässigkeit zwischen beruflicher und akademischer Bildung auch in Zukunft weiter fortsetzen wird, und zwar nicht nur in Deutschland, sondern auch internationa[.]“ Sie begründen dies mit der Nähe zur sich immer schneller wandelnden Realität in den Unternehmen und einer gesteigerten Attraktivität der beruflichen Bildung, die nicht grundlos seit langem in internationalen Bildungsberichten immer wieder als eine der großen Stärken des deutschen Bildungssystems hervorgehoben wird.

Betrachtet man dazu noch die Kennzahlen insbesondere den Anstieg der Anzahl dualer Studiengänge um das Elffache zwischen 2005 und 2017, ist sichtbar, wie sehr diese Form des Studierens in den vergangenen 15 Jahren an Bedeutung gewonnen hat.

Duales Studieren, unabhängig von seiner genauen Ausgestaltung, die später in der Projektarbeit vermehrt im Fokus stehen wird, grundsätzlich den großen Vorteil praxisorientiert zu sein und durch die Praxisphasen den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Einfluss auf die erlernten Fähigkeiten und das Wissen der Studierenden zu üben. 

Für Delmenhorst im Speziellen sollte dieses Themenfeld nicht nur mit Blick auf die bisherige Verteilung dualer Studienangebote in Niedersachsen relevant sein, denn duale Studiengänge sind besonders auch bei Studierenden aus Nicht-Akademiker-Haushalten gefragt – sie machen in einer hierzu durchgeführten Studie beinahe 70% aller dual Studierenden aus. Diese kommen jedoch, wie eine Befragung zeigt, meist dennoch aus Haushalten mit überdurchschnittlichem Haushaltseinkommen und zudem sind auch Studierende mit Migrationshintergrund hier seltener vertreten. Die Durchführenden der Studie gehen hier davon aus, dass das Angebot entweder weniger ansprechend ist oder aber insbesondere einkommensschwachen und Menschen mit Migrationshintergrund weniger bekannt ist. Trotz dieser Faktoren, sollte die große Beliebtheit bei Nicht-Akademiker-Kindern besondere Berücksichtigung finden, da, wie der Zensus 2011 zeigt (neue Zahlen hierfür sind leider erst 2021 verfügbar), der Anteil der Akademiker an der Gesamtbevölkerung in Delmenhorst wesentlich unter dem Bundesdurchschnitt liegt.

Die Bildungslandschaft

Definition: „Tertiärer Bildungsbereich“

„Als hoch qualifiziert gelten gemäß EU-Definition Personen, die einen Tertiär­abschluss der ISCED-Stufen 5 oder 6 erreicht haben. Hierzu zählen in Deutsch­land Abschlüsse an (Fach-) Hoch­schulen, Verwaltungs­fach­hoch­schulen, Berufs- und Fach­akademien, Fach­schulen und Schulen des Gesundheits­wesens. Abweichend von der EU-weit verwendeten Definition schließt das nationale Ziel in Deutschland postsekundare nicht-tertiäre Abschlüsse (ISCED 4) mit ein. Dabei handelt es sich um zweite Abschlüsse im Sekundarbereich II (z. B. Lehrabschluss nach Abitur oder umgekehrt).“  Statistisches Bundesamt.

In Niedersachsen gibt es in der tertiären Bildung im Allgemeinen vier verschiedene Einrichtungen, die sich vorrangig diesem Bereich widmen. Dabei handelt es sich um Universitäten, (Fach-)Hochschulen, Berufsakademien und Fachschulen bzw. Fachakademien. Nachfolgend sollen diese verschiedenen Einrichtungen kurz zusammengefasst vorgestellt werden.

Abb. 2: Überblick tertiäres Bildungssystem in Deutschland.
Quelle: bpb.

(Fach-)Hochschulen

Neben den Universitäten gibt es zudem insgesamt 16 Fachhochschulen (FH). Von diesen befinden sich sieben in öffentlicher Trägerschaft und neun in privater Trägerschaft.

Die Lehre und Forschung an Fachhochschulen ist in ihrer Ausprägung wesentlich praxisorientierter als dies an Universitäten in der Regel der Fall ist. Auch sind bspw. die Stundenpläne an zahlreichen Hochschulen wesentlich verschulter als Universitäten, das heißt, die Studierenden haben hier häufiger weniger Einfluss auf den Verlauf des Studiums bzw. die Zeiten in denen Ihre Veranstaltungen stattfinden.

Seit dem Bologna-Prozess, der das Studium insgesamt Vereinheitlichen sollte und mit dem in Deutschland auch der Übergang vom Diplom zum Bachelor-Master System verbunden war, sind FH-Abschlüsse und Universitätsabschlüsse auf dem Papier gleichgestellt, allerdings ist es für FH-Absolventen nach wie vor schwieriger zu promovieren, dafür sorgen vor allem die Promotionsordnungen der Universitäten.

In Niedersachsen gibt es allerdings zahlreiche Fachhochschulen, die mit Universitäten kooperieren, um in der Kooperation die Promotion möglich zu machen (u.a. Hochschule Osnabrück und Jade Hochschule).

Fachhochschulen sind sowohl in Niedersachsen als auch bundesweit die Hauptträger dualer Studienangebote. Sie tragen so in großem Maße zur Durchlässigkeit des Bildungssystems der Bundesrepublik bei.

Hochschulen haben oft eine sehr spezifische fachliche Ausrichtung, insbesondere dann, wenn sie sich in privater/ nicht-staatlicher Trägerschaft befinden. Beispiele hierfür sind unter anderem die Hochschule für Künste im Sozialen in Ottersberg oder die Fachhochschule für Interkulturelle Theologie in Hermannsburg.

In Niedersachsen gibt es an staatlichen Hochschulen aktuell, wie auch an den staatlichen Universitäten, keine Studiengebühren im Studium in Regelstudienzeit. Dies verhält sich ganz anders an privaten Einrichtungen, die sich zu großen Teilen auch über die teilweise sehr hohen Studiengebühren für Studierende finanzieren.

Berufsakademien

Das niedersächsische Bildungssystem beherbergt neben den Hochschulen sieben Berufsakademien. Ihnen kommt innerhalb des tertiären Bildungssystems (BA) am direktesten der Auftrag zu praxisbezogene, wirtschaftsnahe, duale Studienangebote bereitzustellen. Niedersachsen hat ein unter den Bundesländern einzigartiges Gesetz speziell zur Regelung der Berufsakademien, das Niedersächsisches Berufsakademiegesetz.

Dieses legt unter anderem die duale Ausrichtung der BA fest sowie ein Verbot der Beteiligung des Landes Niedersachsen. Berufsakademien müssen sich Nds. BAkadG § 1 folgend in privater Trägerschaft befinden. Diese Trägerschaft ist entweder in Form einer gemeinnützigen Gesellschaft (gGmbH) oder – in der Mehrheit der Fälle – als eingetragener Verein organisiert.

Berufsakademien werden in der Regel von verschiedenen Trägern mitfinanziert; u.a. beteiligen sich Wirtschaftsverbände daran, auch Städte sind teilweise an der Finanzierung mitbeteiligt.

Universitäten

Alle 11 Universitäten in Niedersachsen sind in Ihrer Trägerschaft öffentlicher Art. Diese befinden sich in den Städten Braunschweig, Clausthal, Göttingen, Hannover, Hildesheim. Lüneburg, Oldenburg, Osnabrück und Vechta. Zudem sind zwei künstlerische Hochschulen mit wissenschaftlicher Ausrichtung.

Universitäten sind klar mit wissenschaftlichem Schwerpunkt ausgerichtet und haben zudem grundsätzlich das Promotionsrecht. Dieses wird in den vergangenen Jahren vereinzelt auch immer mehr Hochschulen zugesprochen – dies kennzeichnet eine insgesamt erkennbare Annährung von Universitäten und Hochschulen, auch in der öffentlichen Wahrnehmung.

Fachschulen/ Fachakademien

Was zunächst einmal sehr ähnlich klingt ist nicht zu verwechseln: Anders als Berufsakademien, absolvieren Schüler an Fachakademien bzw. Fachschulen keine Studiengänge, sondern berufliche Fachlehrgänge oder Fortbildungen die auch solche, den anderen tertiären Abschlüssen (bspw. dem Bachelor) gleichgestellte, Abschlüsse wie den staatlich geprüften Techniker/ die staatlich geprüfte Technikerin umfassen.

Bestandsaufnahme Niedersachsen

Da das Thema Bildung in der Bunderepublik Deutschland ein hoheitliches Thema der Bundesländer ist, spielt für die Überlegungen einer Bildungseinrichtung für Delmenhorst in erster Linie die Bildungslandschaft hier vor Ort eine Rolle.

Wie bereits zuvor dargestellt steht Niedersachsen mit dem 5. und 6. Rang im Ländervergleich, beim Anteil dualer Studiengänge vergleichsweise gut dar. Der Anteil der dual Studienanfänger*innen an der Gesamtheit der Studienanfänger*innen ist allerdings mit 2,2 % verhältnismäßig niedrig (Rang 11, siehe Abb. 1 weiter oben).

Von den insgesamt 15 Einrichtungen, allesamt Fachhochschulen, in Deutschland, an denen im Jahr 2017 mehr als 1.000 duale Studierende immatrikuliert waren, beherbergt Niedersachsen mit der Ostfalia Hochschule (Standorte in Wolfsburg, Wolfenbüttel, Braunschweig und Salzgitter) und der Hochschule Osnabrück zwei. Beide sind in ihrer Trägerschaft staatlich.

Von den 4.443 (Stand: 2017) dual Studierenden entfielen auf diese beiden Hochschulen somit, nach Berechnungen des CHE, 76,1 % aller in einem dualen Studiengang immatrikulierten Studierenden. Weiter 13,95% entfallen zudem auf die Hochschule Hannover. Dies stellt eine klare, an der Anzahl der Studierenden gemessene, Konzentration Dualer Studienplätze im Süden und Osten Niedersachsens dar.

An den sieben Berufsakademien in Niedersachsen studieren zudem 967 Studierende (Stand: 01.20.2018) in dualen Studiengängen, diese werden in den Auswertungen des CHE nicht mit eingerechnet, da Berufsakademien bisher nicht in die Hochschulstatistiken fallen. In Niedersachsen beträgt der Anteil der Berufsakademien an allen dual Studierenden immerhin nahezu 22%. Dass diese Zahl dort nicht erfasst wird, beeinträchtigt die Vergleichbarkeit der Länder ein wenig, da die Länder sehr unterschiedliche mit Berufsakademien umgehen.

Allerdings ist auch bei den Berufsakademien anzumerken, dass sich nur zwei Berufsakademien im Nord-Westen Niedersachsens befinden. Die IT & Business School (IBS) Oldenburg, gegründet 2003 und die Berufsakademie Wilhelmshaven für Soziale Arbeit, gegründet 2018. Die Berufsakademie für Bankwirtschaft Hannover hat zudem einen Standort in Rastede.

Von den Berufsakademien hat nur die Berufsakademie Melle einen handwerklichen Schwerpunkt. Den Bereich des Digitalen hat wiederum nur die Berufsakademie in Oldenburg (IBS) als Fokusthema.

Auch insgesamt ist der Bereich Digitalisierung insbesondere in Zusammenhang mit Mittelstand und Handwerk und dem dualen Studiengang in Niedersachsen bisher noch kaum bis gar nicht vertreten. Deutschlandweit gibt es bereits einige verschiedene Studiengänge für Digitales und Industrie 4.0. In Niedersachsen findet man unter „Digital“ in Niedersachsen nur rund 35 Treffer für Studiengänge. Wobei vor allem der Studiengang Digital Technologies einen Ansatz verfolgt, bei dem die Digitalisierung der verschiedenen Wirtschaftsbereiche im Vordergrund steht und die fachlichen Inhalte der Vertiefung des Wissens im gewählten Anwendungsbereich dienen.
Auch Studienangebote aus dem Bereich Ingenieurwissenschaften/Handwerk gibt es vermehrt, allerdings lassen sich kaum Angebote an der Kreuzung von Digitalisierung und Handwerk/Mittelstand finden. Dies offenbart vor dem Hintergrund der bereits aufgeführten Stärken der deutschen KMUs und insbesondere des Handwerks, aber auch mit Blick auf die Kritik im Bloomberg Innovation Ranking. (siehe Abschnitt „Digitalisierung“)

Das erste Fazit

Unabhängig von der praktischen Umsetzbarkeit der Vorschläge, lassen sich zur Art der angestrebten Bildungseinrichtung die folgenden fachlich-inhaltlich begründeten Schlüsse ziehen.

Eine Universität wäre ungeeignet

Universitäten sind in ihrer Grundausrichtung, wie bereits zuvor ausgeführt, von allen Einrichtungen diejenigen mit der am stärksten wissenschaftlich-theoretischen geprägten Ausrichtung, vor allem vor dem Hintergrund der Relevanz des dualen Studiums für die Überlegungen im Rahmen dieses Projektes. Zudem sind mit der Universität Bremen und Oldenburg bereits zwei Einrichtungen dieser Art in der Region verankert, die – gemeinsam mit den dazugehörigen Instituten – bereits eine große Bandbreite an verschiedenen Forschungsbedarfen abdecken.

Fachschulen sollten zunächst einmal nicht weiter mitbetrachtet werden.

Fachschulen, Fachakademien, Meisterschulen, verfügen nicht über Studiengänge, sie erfüllen dementsprechend eines der entscheidenden Kriterien nicht.
Diese Art der Einrichtung sollte allerdings unbedingt als Kooperationspartner mitgedacht werden.

Grundsätzlich sind drei Arten von Einrichtungen kompatibel mit den Projektzielen.

Es handelt sich dabei um eine Berufsakademie in Form eines e.V. oder einer gGmbh nach dem Niedersächsischen Berufsakademiegesetz, die Ansiedlung eines privaten Hochschulstandortes oder die Etablierung einer Zweigstelle einer bereits bestehenden öffentlichen Hochschule.

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    Ansprechpartnerin:

    Jennifer Burdorf
    City Campus Projekt – dwfg
    Lange Straße 128

    Tel.: 04221 992893

    E-Mail: jennifer.burdorf@dwfg.de